Wilma Blomquist entdeckt Smaskargard, Teil 2

 

Tag 4

 

Beim morgendlichen Bad überdenke ich die Lage:

Verdammt! Ich glaub, ich hab mich verliebt! Zu blöd! Wie soll ich da mit klarem Kopf ermitteln? Aber wenigstens kommt mir eine Superidee: Wie wäre es, wenn ich bei der Witwe Sjöberg als Hausmädchen anheuerte? So könnte ich doch eine Menge erfahren. Gleich nachher werd ich mal anrufen. Und den Carlsens wollte ich ja auch noch einen Besuch abstatten, aber das mache ich abends, denn tagsüber ist da eh niemand zu Hause, wie mir scheint.

Gedacht, getan!

Also mache ich mich gleich auf den Weg in den Salon, um mir das passende Outfit zu besorgen. Ein Stylist namens Erikson berät mich. Und ich finde das Ergebnis doch recht gelungen:

Bei der Gelegenheit kaufe ich mir dann auch noch etwas Warmes zum Anziehen für alle Tage. So viele Winterklamotten, wie ich hier brauche, hab ich gar nicht dabei.

Hochzufrieden mache ich mich auf den Weg nach Hause. Das heißt nein, zuerst zu Frederik Carlsen. Ich bin schon gespannt, was er mir erzählt.

Endlich treffe ich ihn an und werde freundlich hereingebeten. Ein heißer Tee tut mir jetzt gut nach der Kälte draußen. Wir plaudern sehr nett.

Wenn man ihn nach Sjöberg fragt, gerät er allerdings sofort in Rage. Das muss ein traumatisches Erlebnis gewesen sein: Von Sjöberg wurde er verleumdet, die Wahl zum BM hat er deshalb verloren - und dann noch von seiner Frau verlassen zu werden, das war zuviel für ihn. Zwar hat er wieder einen Job als Enthüllungsreporter, aber sein Leben war in letzter Zeit nur noch von Rachegedanken erfüllt, sagt er. ‘Hätte es nicht ein anderer getan, ich hätte ihn eines Tages eigenhändig erwürgt oder erschlagen!’

‘Ob er die Wahrheit sagt?’ denke ich mir auf dem Heimweg. Er wirkte so aufgeregt, nahezu paranoid. Andererseits hat Sjöberg ihm ja auch wirklich übel mitgespielt. Seine Tochter habe einen richtigen seelischen Schaden davon getragen - das geht mir nicht aus dem Kopf.

Nun morgen werde ich die Familie Sjöberg kennen lernen. Das wird total spannend!

Den restlichen Abend verbringe ich gemütlich mit Kochen, Musizieren und Malen.

 

Tag 5


Ich bin ja soo gespannt und soo nervös. Ob die mich überhaupt einstellen? Und wenn ja - werden sie mit mir zufrieden sein? Und werde ich etwas erfahren können?

Pünktlich um 9 uhr morgens stehe ich vor der Villa Sjöberg.

Außer dem Koch ist keiner da. Aber der weiß Bescheid und sagt mir, ich solle einfach aufräumen und putzen. Na ja - auch recht. Dann war ja die ganze Aufregung umsonst.

Dann fang ich mal mit der Wäsche an. (Seltsamer Haushalt - wo die Wäsche einfach auf dem Boden rumliegt.) 

Im Keller finde ich dann die Gruft mit der Urne des BM, aber sonst weiter nichts.

Nun - dann nehm ich mir mal das Arbeitszimmer vor. Weil keiner da ist, kann ich mich ungeniert an den Laptop setzen. Bringt aber auch nichts. Das einzig Auffällige, das ich finden kann, ist ein seltsamer Blumentopf hinter dem Sessel. Wieso steht der da? Und was ist das überhaupt für eine seltsame Pflanze? Am besten lass ich alles so, wie es ist!

Mir fällt noch auf, dass hier ganz offensichtlich eine Vase fehlt. Wohl die, mit der Sjöberg erschlagen wurde. Das sieht dann aber eher nach Affekttat aus als nach einem geplanten Mord. Sonst hätte der Täter wohl eine Waffe mitgebracht - oder?

Ich mache dann oben weiter, putze die Bäder und mache die Betten. 

Beim Abstauben überprüfe ich die Bücherregale: nichts Auffälliges zu finden.

Das Zimmer des Kochs allerdings erstaunt mich: Das ist ja total versifft!

 

Später kommt die Tochter der Sjöbergs nach Hause, und bevor ich gehe, kann ich ein wenig mit ihr plaudern. 

Ich spreche sie darauf an, dass das eine Zimmer im Haus so ganz anders ausschaut als die anderen. Da bricht es aus ihr heraus: ’Daran ist nur mein Vater schuld. Der hat den Ilian - ich meine unseren Koch - schikaniert, wo er nur konnte. Ich glaub, die Möbel hat er extra vom Sperrmüll holen lassen, nur um ihn zu demütigen. Warum, das weiß ich gar nicht! Dabei ist der Ilian so ein lieber, freundlicher Kerl. Ich musste ihn immer wieder trösten, wenn Vater ihn mal wieder zusammengestaucht hat. Es stimmt ja, dass er schüchtern und unbehofen ist, aber er ist ein fantastischer Koch.’ Sie fing beinahe an zu weinen, so nahe ging ihr das. ‘Einmal konnte Ilian nicht mehr und hat sich mit Vater geprügelt. Der wollte ihn natürlich gleich rausschmeißen. Aber das hat Mutter energisch verhindert. Danach war aber alles nur noch schlimmer. Ach - was hab ich meinen Vater gehasst dafür!’ Sie wischt sich ein paar Tränen aus den Augen, die jedoch kaum ihrem Vater gelten dürften.

Wenn ich mir das so überlege, hatte fast jeder, den ich bisher in Smaskargard getroffen habe, einen guten Grund, Sjöberg umzubringen ...

Nachdenklich verabschiede ich mich und gehe nach Hause.


Das heißt, ich wollte ja noch in die Bibliothek. Die befindet sich gleich neben der Kirche in einem interessanten Gebäude: Hier stand früher ein Kloster, einige Ruinen sind noch zu sehen. Und die Bibliothek ist in den ehemaligen Pferdeställen untergebracht. Recht gemütlich ist es hier!

  

Jedenfalls gibt es hier Computer mit Internetanschluss. So kann ich ein bisschen recherchieren!

Was finde ich über Smaskargard heraus? Nicht viel, aber eines ist doch recht interessant: Unbestritten ist wohl, dass der BM Christer Sjöberg viel für das Wirtschaftswachstum und das Ansehen Smaskargards geleistet hat - was die vielen Anhänger erklärt. Andererseits muss er ein umweltschädliches Industrieprojekt favorisiert haben, gegen das sich eine Umweltinitiative zahlreicher Bürger richtete. Und das Interessanteste daran sind die Namen der Initiatoren! Ich finde zum Beispiel den Bruder des BM - Thorben Sjöberg - darunter, den Koch Ilian Lundquist, einen Gärtner namens Olof Olsson (Wohnt der nicht auch in meiner Straße? Den muss ich unbedingt besuchen!). Das Allerschärfste aber: Es gab Demonstrationen, bei denen sich seine eigene Frau Terezia öffentlich gegen die Pläne des BM gestellt hat! Ein paar Zeitungsberichte mit Bildern davon finde ich auch:

Also war das Zerwürfnis zwischen Christer Sjöberg und seiner Frau Terezia nicht nur privater, sondern auch politischer Natur! Und wenn die Frau, der Bruder und der Koch politisch auf derselben Seite standen, wäre es doch interessant zu erfahren, ob es da ebenfalls private Verbindungen gibt. Jetzt wird auch deutlicher, warum Sjöberg seinen Koch so ablehnte! Und wie hat sich die Tochter Merit in dem Konflikt verhalten? Dass sie zu Ilian steht, weiß ich ja schon.

Fragen über Fragen, denen ich nachgehen sollte! Was mache ich zuerst? Ich sollte meine Bekanntschaft mit Thorben etwas intensivieren - oder? Und ich sollte den Gärtner Olsson aufsuchen! Klar, das mach ich morgen.

 

 

 

Tag 6


Heute will ich nach meinem Dienst bei Sjöbergs unbedingt meinen Nachbarn Olsson aufsuchen. Vielleicht erfahre ich von ihm einiges über die Umweltaktivisten von Smaskargard? 

Zunächst erscheint er mir als ziemlich mürrisch. Aber als er merkt, dass ich mich für Umweltprobleme interessiere, wird er zunehmend aufgeschlossener. Schließlich führt er mich stolz in sein Gewächshaus.

 

Und in der Tat finde ich es erstaunlich, wie viele verschiedene Kräuter er hier zieht. Um das Gespräch in Gang zu halten, zeige ich mich von meiner besten Seite, stelle viele Fragen und bewundere seine Kenntnisse. So gelingt es mir, zum Abendessen eingeladen zu werden. (Das ist ja mehr, als ich erwartet habe!)

Eine seiner Lieblingsideen scheint mir die ‘Verpiss-dich-Pflanze’, mit deren Hilfe er die Katzen seiner Nachbarin Katt vergrämen möchte, die seine Beete verschmutzen. (‘Aha -  Katzenhasser!’ - denke ich mir.)

Was mich mehr beschäftigt, ist seine politische Orientierung. Und da erfahre ich, dass der Kampf für mehr Umweltbewusstsein wohl seine einzige echte Passion ist. Es klingt aber auch an, dass er, der ganz offensichtlich kein Weiberheld ist, sich glücklich schätzt, in Terezia Sjöberg eine Kampfgefährtin gefunden zu haben. Oder ist er vielleicht richtig verliebt in sie? Das kann ich ihn aber leider nicht so direkt fragen ... Nach seiner Haltung zum Tod des BM frage ich heute auch lieber noch nicht.

Immerhin habe ich ein gewisses Vertrauensverhältnis zu meinem Nachbarn aufgebaut. Vielleicht komme ich hier demnächst noch einmal vorbei? Bei solch eher wortkargen Typen muss man vorsichtig zu Werke gehen!

Am späteren Abend beschließe ich dann, einmal alles übersichtlich aufzuschreiben, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte.

 

Tag 7


Da ich heute nicht in der Villa Sjöberg arbeiten muss, habe ich beschlossen, mir Thorben, den Halbbruder des BM, vorzuknöpfen. Ob es mir wohl gelingt, emotional genügend Abstand zu halten? Ich hoffe doch! Auf jeden Fall ist es wichtig für mich, mehr über ihn zu erfahren - und das nicht nur für die Ermittlung - seufz!

 

Ich habe Lust auf einen kleinen Morgenspaziergang - da könnte ich ja gleich mal schauen, wo Thorben wohnt. Das muss auch irgendwo in der Nähe sein ...

Hier vorne links hinter dem Grundstück von Olaf Olsson geht es zur Villa Sjöberg ... und tatsächlich ... hinter der Kurve auf der rechten Seite Richtung Meer entdecke ich ein kleines Bootshaus oder so etwas Ähnliches mit Landesteg ...

 

Das muss es sein! Hoppla - da steht ja die Tür offen ...

Und prompt treffe ich auf Thorben! Das war ja nun gar nicht so geplant!

 

Und er ist alles Andere als angetan von meiner Anwesenheit: ‘Was treibst du dich hier herum? Spionierst du mir nach? Was willst du?’ Keine Spur vom gewohnten Charme zu entdecken.

‘Ich wollte ... äh ... ich wollte ... dich ehrlich nur fragen, ob wir uns mal ... äh ... in Ruhe ... äh ... unterhalten könnten.’, bringe ich stotternd hervor.

Das scheint ihn etwas zu beruhigen. Und nach einigem Hin und Her verabreden wir uns für den Abend in der ‘Alten Tanke’. Sagt mir zwar nichts, soll aber eine beliebte Kellerkneipe sein.

Immerhin habe ich erreicht, das wir mal miteinander reden können. Erleichtert ziehe ich ab.

Den Tag verbringe ich damit zu lesen und Musik zu hören. Irgendwie muss ich meine Nervosität ja bekämpfen. Ich bin nämlich ganz schön aufgeregt!

Als ich dann zur ‘Alten Tanke’ komme, wartet er schon. Das ist gut so!

Bloß kein übertriebenes Interesse zeigen, bloß ganz ruhig bleiben ... erst mal ein bisschen tanzen ...

 

Aber dann - ist es doch wieder das gleiche Spiel! Meine guten Vorsätze sind dahin ... spätestens nach diesem Kuss.

Und so kommt alles so, wie es wohl kommen muss: Wir landen bei ihm zu Hause und schließlich im Bett ...

 

Verflixt! Ich wollte doch mit ihm reden, ihn etwas aushorchen, etwas über ihn herausfinden ... zu dumm!

 

Ziemlich erschüttert schrecke ich am Morgen hoch, aber Thorben grinst nur überlegen. ‘Ich geh jetzt mal frische Brötchen holen, du kannst ja schon mal Kaffee kochen!’ -  und weg ist er.

Aber nun erkenne ich blitzschnell meine Chance: Das ist die Gelegenheit, sich hier etwas umzusehen!

Merkwürdige Bücher liegen hier rum. Bei den meisten geht es um Drogen irgendwelcher Art. Zum Beispiel: ‘Kona-Hoch - Geschichte eines Trips’ oder ‘Lexikon der Halluzinogene’. Stellt er welche her? Oder vertickt er sowas?

Seltsamer Kram ist überall verteilt. Alles verrät den Graffitisprüher und Umweltaktivisten. Nun dann wäre der Punkt schon mal geklärt.

 

Unbekümmert wie Thorben wohl ist, ist der Lappi nicht passwortgeschützt. Sehr gut! Aber nun heißt es aufpassen, dass er mich nicht überrascht!

Was ich dabei herausfinde: Thorben hat mal studiert, wurde aber exmatrikuliert. Das ‘Studium’ bestand wohl eher aus ziemlich coolen Partys und unfreiwilligen Kontakten mit den Ordnungshütern. Nun sieht er sich als Künstler und Atomkraftgegner. (Eigentlich sympathisch - oder?)

Oh - ich höre Thorben - schade! Beim Frühstück möchte ich ihm aber lieber keine Fragen stellen, sonst verrate ich mich noch.

Nach dieser Nacht werden wir uns ja auch bestimmt wieder sehen. Und dann nutze ich endlich mal die Gelegenheit zum Reden - das verspreche ich mir selber!