erzählt von Baba Yaga

 

DieYagas – eine Hexendynastie

 

 

 

Ich bin Baba Jelena Yaga, das derzeitige Familienoberhaupt und Hüterin der Familientradition. Gemeinsam mit meiner Schwester Cynthia bewohne ich unseren Stammsitz in Dunkelhain am Teufelsmoor. In der Nachbarschaft sind wir zwar respektiert, werden aber weitgehend gemieden, da sich vielerlei Gerüchte um unsere Familie ranken, die den Leuten wohl eher Angst machen. So leben wir hier ein möglichst zurückgezogenes Leben.

 

Unser Stammsitz ist uralt, idyllisch hinter hohem Zaun und alten Bäumen verborgen, direkt in den Flussauen gelegen und entsprechend feucht! Aber man gewöhnt sich daran.

 

Hier wohnt die Familie Yaga seit vielen hundert Jahren und hier haben wir auch unseren alten Familienfriedhof.

 

Dort hat unsere Urmutter Baba Yaga, genannt die Uralte, ihre letzte Ruhestätte gefunden. Für uns ist es ein geweihter Ort, den ich mit Hingabe pflege. Sie verkörpert unsere Wurzeln, das tiefe Wissen um die Geheimnisse des Lebens und des Todes! An dieser Stätte kann ich Kraft tanken, um mich dann wieder meiner Lebensaufgabe zu widmen, nämlich mir in Cynthia eine würdige Nachfolgerin zu erziehen. Sie muss noch viel lernen, doch sie ist begabt und willig ihren Dienst anzutreten.

Meine Hauptsorge aber ist es einen würdigen Gefährten für sie zu finden, denn wir brauchen eine Nachfolgerin. In unseren Kreisen sind Mädchen wichtiger als Jungen, und lange hatten wir gar keinen Kontakt zu irgendwelchen Zaubermeistern. Das muss sich nun möglichst bald ändern, sonst läuft uns die Zeit davon, denn Cynthia ist nicht mehr die Jüngste. Dunkelhain am Teufelsmoor ist ja ein sehr ruhiges abgeschiedenes Örtchen, und auf unserer Seite des Flusses wohnen nur sehr wenige Leute. Nun – ich werde mich demnächst umtun müssen! Vom Hörensagen weiß ich, dass ein Zaubermeister mit seinem Sohn vor kurzem zugezogen sein soll. Ich muss mal ein paar Nachforschungen tätigen.

Cynthia, das gute Kind, will ja so gar nichts von Männern wissen und Kinder sind ihr ein Graus. Doch für unsere Sache wird sie sich eben opfern müssen. Ich habe unserer Urmutter fest versprochen, dafür zu sorgen, dass die Nachfolge noch zu meinen Lebzeiten geregelt wird!

Das Haus wirkt von außen verfallener, als es innen ist, doch das ist uns gerade recht so!

 

 

Es braucht ja nicht gerade jeder zu wissen, dass es uns finanziell an nichts mangelt. Das bringt nur Neider auf den Plan!

Ich werde mich in nächster Zeit energisch hinter Cynthias Ausbildung klemmen müssen, denn wenn man sie gehen lässt, hat sie nichts anderes im Kopf, als Romane zu schreiben.

 

Das ist zwar schön und gut und darf sie auch, doch wir müssen unser Ziel im Auge behalten. Um im Labor etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen, muss sie allerdings zuerst einmal ordentlich kochen können. Das macht ihr immerhin Freude!

 

Außerdem braucht das Schwesterherz eine intensive Schulung im Kräuteranbau. Als Jüngere hat man sie immer geschont, doch die Schonfrist ist nun vorbei.

Zur Zeit sind wir jeden Morgen so früh wie möglich draußen. Wir haben ein großes Stück Land zu bearbeiten:

 

Hier ziehen wir unser Gemüse, von dem wir uns hauptsächlich ernähren. Nicht dass wir Vegetarier wären, aber zuviel Fleischgenuss beeinträchtigt die magischen Kräfte.

 

Außerdem wachsen hier jede Menge Kräuter zur Herstellung von Heil- und Zaubertränken, z.B. Eisenhut, Schlafmohn und Fingerhut, Flammenfrucht und Blume des Lebens, um nur die wichtigsten zu nennen. Ich muss Cynthia zeigen, wie man sie pflegt und vermehrt, wann sie reif sind und welches die beste Zeit jeweils zum Aussäen oder zum Ernten ist, damit sie ihre Wirkung voll entfalten können.

Ich achte beim Gärtnern streng auf den Mondkalender - und diese Regeln soll auch Cynthia sich einprägen.

Zudem bauen wir diverse Weinreben an zur Nektarherstellung und natürlich gibt es auch vielerlei Obstbäume. Jede Sorte verlangt nach einem angemessenen Schnitt und zusätzlichen Pflegemaßnahmen. Cynthia hat also wirklich viel zu lernen!

 

Sie geht mir ja auch durchaus eifrig zur Hand. Warum sie dabei aber unbedingt Netzstrümpfe tragen muss, bleibt ihr Geheimnis. Ich sage aber lieber nichts, sonst wird sie unnötig bockig.

 

 

Abends reicht es Cynthia gerade noch dazu, ein wenig beim Fernsehen zu entspannen. Dann ist sie so geschafft, dass sie sogar noch vom Gärtnern träumt.

 

Ich selber habe in letzter Zeit versucht, meine mechanischen Fähigkeiten zu verbessern, denn ich möchte doch zu gerne den Garten automatisch bewässern. Das würde mir viel Zeit sparen. Bloß konnte ich keinen Handwerker finden, der das für mich erledigt. Also sagte ich mir "Selbst ist die Frau!": Mechaniklehrbuch gelesen und neues Wissen angewendet!

 

Ich muss Cynthia eine Verschnaufpause gönnen, bevor wir mit den noch schwierigeren Aufgaben fortfahren. Und da Nektarherstellung auch wichtig ist, ist mir gerade eine fabelhafte Idee gekommen. Wir fahren nach Champs-les-Sims ins Nektarium. So kann sie die Nektarherstellung vor Ort kennen lernen und hat gleichzeitig ein bisschen Abwechslung.

 

Da staunt Cynthia nicht schlecht, als das Taxi vorfährt! Ab nach Frankreich - Schwesterherz! Was für ein schönes Örtchen!

Was für ein Unterschied zu Dunkelhain am Teufelsmoor: so heiter, so sonnig, so freundlich!

 

 

Und gleich am nächsten Morgen besuchen wir das Nektarium:

 

Ehe sie es sich versieht, ist sie schon am Werk!

 

"Igitt! - was für eine Brühe! Und man macht das tatsächlich mit den bloßen Füßen?"

 

Die Taufe gehört natürlich auch dazu! Aber anschließend gibt es köstlicen Nektar zum Probieren! Klasse! Nektar macht einfach glücklich!

 

Zwei Tage lang sind wir mit Trauben pflücken, Trauben pressen und Basis herstellen bis spätabends beschäftigt (Nektar probieren nicht zu vergessen!), sodass wir immer todmüde in die Betten unserer bescheidenen Herberge sinken.

 

Am letzten Vormittag gehen wir dann noch ein bisschen einkaufen - vor allem französische Bücher und Rezepte - und dann decken wir uns tüchtig mit tollem Nektar ein. Unsere eigene Produktion nehmen wir natürlich auch mit.

 

Zu Hause angekommen wird unser Nektarkeller stolz bestückt und übermütig kosten wir das ein oder andere Fläschchen ...

 

Oh - das ergab doch einen wahrhaften Hexenrausch - Teufel noch mal!

Jedenfalls habe ich erreicht, dass Cynthia kaum noch ans Romane schreiben denkt, sondern nur noch neue Nektarsorten kreieren möchte!!!

 

Nun ist es an der Zeit, sie die Riten des Mondes zu lehren. In meinem kleinen Labor direkt neben meinem Schlafzimmer gibt es eine Mondkugel, die uns Kräfte spendet, wenn wir sie zu gebrauchen wissen.

 

 

 

Man muss sich ihr mit Hingabe nähern - und dass ist Cynthias Problem, ihr ziemlich störrischer Charakter. Ihr mangelt es noch beträchtlich an Demut und Hingabe ...

 

Wenn sie sich weiterhin weigert, sich nackt der Mondgöttin hinzugeben, werde ich sie züchtigen müssen. Doch fürs Erste übe ich mich noch in Geduld, vielleicht hilft ihr ja ein Gläschen Nektar und sie tut es freiwillig, das wäre viel, viel besser... Einen ersten Anfang hat sie ja schon gewagt!