Solomon und Simon Sorcerer, die Zaubermeister aus Seeland, Teil 2

 

erzählt von Solomon

 

Allmählich fühle ich mich in Dunkelhain am Teufelsmoor  zu Hause. Es scheint, als bestünde keine Gefahr mehr, dass Sordidus uns hier finden könnte. Hach - ich träume davon, hier in Ruhe meine alten Tage zu verbringen, zumal Simon ganz offensichtlich Wurzeln geschlagen hat. Cynthia Yaga kommt inzwischen öfter einmal mit ihrer kleinen Tochter vorbei, und ich erkenne in diesem Kind ganz eindeutig die Züge der Sorcerers wieder.

 

Wie schön! Ich habe ein Enkelkind. Manchmal sind Frauen ja doch zu etwas nütze!

(Vielleicht bin ich ja auch nur deshalb so hart in meinem Urteil, weil mich der Verlust Shainas noch immer so sehr schmerzt!?) Ob Aranka Baba Yaga eventuell auch die Musikalität ihrer Großmutter Shaina geerbt hat? Ich will das mal austesten und habe ihr ein altes Erbstück der Familie zum Üben geschenkt!

Erfreulicherweise ist die Mutter - also Cynthia Yaga - eine offenbar vernünftige und emanzipierte junge Frau, die gar nichts vom Heiraten hält. Sie hat mir erklärt, dass sie es ablehne, ständig mit einem Mann zusammenzuleben. Ihr Lebenstraum, weltweit anerkannte Schriftstellerin zu werden, lasse das auch gar nicht zu. Aranka werde von ihr und ihrer Schwester Baba Jelena alleine großgezogen, solle aber ihren Vater kennen.

Kein Wort des Vorwurfes, dass man sie betrogen oder hereingelegt habe - erstaunlich!

 

Aranka ist mittlerweile zu einem Schulkind herangewachsen, und ich finde meine Enkeltochter wunderschön, außerdem ist sie ein äußerst intelligentes und vielversprechendes Kind! Allein schon diese Ernsthaftigkeit ... wirklich ungewöhnlich für dieses Alter!

Ich merke, wie ich ins Schwärmen gerate. (Die Fotografie hat mir Cynthia geschenkt, und ich muss gestehen, dass ich sie immer bei mir trage und wieder und wieder studiere.)Ich werde wohl allmählich senil und sentimental ... Aber ich gestatte mir einfach ein wenig zu träumen ... davon, dass die Sorcerers doch noch Nachwuchs haben werden ... Und vielleicht ist es auch gar nicht einmal so wichtig, ob männlich oder weiblich ?

Eventuell tut es gut, wenn das Blut verschiedener Familien sich mischt ... Immerhin sind die Yagas uralter Hexenadel und stehen uns in der Hinsicht in nichts nach. Ich muss einfach versuchen Baba Jelena Yaga noch besser kennen zu lernen - jawohl!

 

Es trifft sich gut, dass Cynthia für Arankas Geburtstag ein „Familientreffen“ arrangiert hat. Sie hat es auch fertiggebracht, dass Baba Jelena mitgekommen ist. Simon war ganz außergewöhnlich enthusiastisch, und er scheint sich mit seiner Tochter auch recht gut zu verstehen.

 

 

Aranka zeigte sich sehr interessiert an seinem Studierzimmer, dessen Einrichtung er ihr genau erläuterte. Jetzt ist sie ja groß genug, um an Teleskopen, Mondphasenanzeigern und Planetenmodellen Gefallen zu finden.

 

Manches kennt sie ja auch schon von zu Hause. Da hat Baba Jelena wirklich hervorragende Erziehungsarbeit geleistet.

 

Derweil habe ich mich um Baba Jelena Yaga bemüht! Wirklich - ich habe allen mir zur Verfügung stehenden Charme eingesetzt, wusste ich doch von Cynthia, dass Baba mir äußerst ablehnend gegenüber steht - vor allem wegen dieses bedauerlichen Zwischenfalls mit dem Schlaftrunk, und wohl auch aus grundsätzlichen feministischen Erwägungen.

 

Sie wurde jedoch zunehmend aufgeschlossener, und ich bilde mir ein, dass ich sie ein wenig beeindrucken konnte, als ich sie im Haus herumführte. Spontan entschloss ich mich, ihr rote Rosen zu schenken.

 

Das hatte eine nahezu verblüffende Wirkung:

 

Wir haben dann noch den Nachmittag zu einer Familienaussprache genutzt und uns darauf geeinigt, dass Aranka vorerst eine normale Schule besuchen sollte. Wenn sie da nichts mehr lernen kann, werden wir den Unterricht entweder selber übernehmen oder sie auf ein ausgewähltes Internat schicken. Im Augenblick scheint sie uns noch zu jung dafür.

Eine vernünftige Entscheidung - wie ich meine! (Vor Freude habe ich mich zu einem Tänzchen hinreißen lassen, als die Yagas wieder weg waren .)

 

Noch eine sehr positive Entwicklung ist zu vermelden. Hier in Gunkelhain gibt es seit Neuestem einen Alchemieladen, der von einem sehr netten und kompetenten Besitzer geführt wird. Ich bin darüber sehr froh, denn so kann ich die Zutaten für meine Elixiere frisch und völlig problemlos erstehen und bin nicht mehr auf Freunde angewiesen, die sie mir besorgen. Ich habe Simon gleich mal losgeschickt, eine paar größere Besorgungen zu machen und mein Labor habe ich neu einrichten lassen.

 

Ich habe mir einen neuen Kessel geleistet, ein Stehpult und ...


 

... was aber am wichtigsten ist, ich habe nun wieder eine richtige Arbeitsstation!

Hier kann ich meine neuen Erkenntnisse sofort umsetzen - sehr praktisch und zeitsparend. Das moderne Zeug, mit dem ich mich bisher behelfen musste, reicht da einfach nicht heran! Ich bin so begeistert, dass ich Tag und Nacht in meinem Labor verbringen könnte - seufz!

 

Tja - und dann hat sich da etwas höchst Erstaunliches ergeben ... Ich habe gehört, dass es im alten Turm in unserem Städtchen eine etwas schräge Kneipe geben soll, in der man nicht gerade jedermann trifft, weil sie wohl ein Treffpunkt etwas zwielichtiger Gestalten sei. Das wäre doch die Gelegenheit für mich, ein wenig Stadtluft zu schnuppern.

Plötzlich dachte ich, ich könnte doch einfach mal bei Baba anrufen und fragen, ob sie wohl Lust hätte,mit mir hinzugehen. Es wird einfach Zeit, dass ich mich hier unter Leute traue, aber etwas „Begleitschutz“ wäre ja angenehm. Und Baba Jelena ist ja eine resolute Person, in Zauberdingen versiert und überhaupt eine sehr starke Frau!

Fast noch größer als mein überraschender Anfall von Mut war meine Überaschung, als sie spontan zusagte. Nun blieb mir gar nichts Anderes mehr übrig, als mich auf den Besen zu schwingen.

 

 

 

 

 

Es ist noch am Nachmittag, also muss ich mir wohl nicht allzu große Sorgen machen. Besonders vertrauenserweckend sieht das Etablissement auf den ersten Blick ja nicht aus, aber es ist schließlich auch ein Geheimtipp. Also spreche ich mir Mut zu!

Mut brauche ich aus zweierlei Gründen: einmal, weil ich mich noch immer vor Sordidus’ Nachstellungen fürchte, andererseits, weil es eine völlig ungewohnte Situation ist, eine Verabredung mit einem weiblichen Wesen zu haben. Seit Shaima selig war da ja nichts mehr ...

 

 

Baba ist schon da und wartet auf mich, völlig locker und unverkrampft. Ich begrüße sie freudig. Und ich spüre da so etwas ... etwas Magnetisches zwischen uns - eigenartig!

Ich finde es eigentlich ganz großartig in dieser schummrigen Bar, und wir unterhalten uns angeregt. Baba Jelena wird mir immer vertrauter ... An Schönheit reicht sie natürlich bei weitem nicht an Shaina heran, aber sie hat das gewisse Etwas - ja doch ...

 

So kommt es mir sehr angenehm vor, als sie mich auf einmal schüchtern küsst (wie ein verschämtes junges Mädchen)! Und ich ahne, wieviel unerfüllte Sehnsucht darin steckt.

 

Da kommt eine lang verschüttete große Zärtlichkeit in mir auf, längst vergessene - oder sagen wir besser - verdrängte Gefühle stürmen auf mich ein ...

Um aller Sentimentalität zu entgehen, schlage ich vor, dass wir etwas Kräftigendes zu uns nehmen. Also gibt es zuerst ein kleines Essen - sehr angenehm in ungestörter Atmosphäre. Und anschließend gestatten wir uns einige Drinks an der Bar.

 

 

Das macht uns so ausgelassen, dass wir in aller Öffentlichkeit miteinander tanzen ...

 

... und ... na ja - der Blick der Bardame sagt alles! Als sei das in unserem Alter tabu ... ! Was wissen diese jungen Menschen schon vom Leben ... pffft!

 

Wir zwei jedenfalls lassen den Abend bzw. die Nacht in großer Eintracht ausklingen:

 

Was für ein Erlebnis! Dass ich am nächsten Morgen einen Schnupfen habe und mein Rheuma zwackt, stört mich überhaupt nicht!